Kompliziertes Leistungssystem

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17.10.2018 Behörden müssen über Sozialleistungen beraten

Das Recht der Sozialleistungen ist verwirrend kompliziert. So können beispielsweise gleichzeitig die Grundvoraussetzungen auf unterschiedliche Leistungen gegeben sein. Wer die "falsche", weil niedrigere Leistung beantragt, verschenkt Geld. Aber: Sind die Behörden verpflichtet, auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass ein Anspruch auf die "richtige", weil höhere Leistung bestehen kann? Ja, meint der BGH.
Der Kläger hatte beim Landratsamt erfolgreich Leistungen der Grundsicherung beantragt. Erst Jahre später wies eine neue Sachbearbeiterin des Landratsamtes darauf hin, dass ein Rentenanspruch bestehen könnte. Die Mitarbeiterin der Behörde empfahl, sich von der Deutschen Rentenversicherung beraten zu lassen.

Der Betroffene klagte daraufhin auf Erstattung des Differenzbetrag zwischen der Grundsicherung und der Erwerbsminderungsrente, der zwischenzeitlich aufgelaufen war.

Nach Auffassung des höchsten deutschen Zivilgerichts wäre im Zusammenhang mit dem Antrag auf Leistungen der Grundsicherung zumindest ein Hinweis vonseiten der Behörde notwendig gewesen, dass auch ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Betracht käme und deshalb eine Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten war.

Das soziale Leistungssystem, so der Bundesgerichtshof weiter, werde immer komplizierter. Deshalb könne es nur funktionieren, wenn eine umfassende Beratung gewährleistet sei. Gezielte Fragen des Klägers bedingten, dass er weiß, welche Leistungen grundsätzlich für ihn in Betracht kämen. Dieses Wissen könne die Behörde aber nicht voraussetzen. Deshalb dürfe sie sich nicht darauf beschränken, auf Fragen und Anträge des Klägers zu reagieren. Vielmehr ist sie verpflichtet, "auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich mit seinem Anliegen verbinden". Außerdem liege die Kompliziertheit des Sozialrechts gerade in der Verzahnung und Verknüpfung der verschiedenen Sicherungsformen. Die Beratungspflicht sei deshalb nicht auf die Normen beschränkt, die der betreffende Sozialleistungsträger anzuwenden habe.

Das bedeutet, dass den Landkreis nicht nur im Hinblick auf die Normen der Grundsicherung eine Beratungspflicht trifft, sondern auch auf diejenigen des Rentenrechts. Deshalb sei ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten gewesen.

Über deie Höhe des Schadensersatzes entschied der BGH nicht. Das muss nun das zuständige Oberlandesgericht entscheiden.

Letzte Änderung: 12.10.2018