Tarifbindung bei Seuffer

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07.09.2016 Wie eine Betriebsversammlung alles ändern kann

Ganz beiläufig wollte der Zulieferer Seuffer sich aus der Tarifbindung verabschieden. Doch die Beschäftigten reagierten mit schneller und entschlossener Gegenwehr. Ergebnis: Die Firma kehrt in kürzester Zeit zum Arbeitgeberverband zurück und zahlt weiter nach Tarif.

Requisiten, Hauptdarsteller und eine ausgefeilte Dramaturgie - wenn Nicolas Bauer über Betriebsversammlungen spricht, klingt er wie ein Theater-Regisseur. Der Gewerkschaftssekretär hat gerade mit dafür gesorgt, dass beim württembergischen Elektronik-Zulieferer Seuffer auch in Zukunft nach Tarif bezahlt wird. Dabei spielte eine Betriebsversammlung eine entscheidende Rolle.

Seuffer produziert Elektronik-Bauteile für Lastwagen, Backöfen und andere Geräte. Das Unternehmen beschäftigt am Standort Calw rund 310 Menschen. Der Betrieb ist Mitglied im Arbeitgeberverband Südwestmetall und unterliegt damit dem Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie.

Diesen Zustand hätte Seuffer-Geschäftsführer Willi Enderle gerne beendet. Im Mai teilt er der IG Metall lapidar mit: "Wir sind aus dem Verband ausgetreten." Wann genau lässt er offen. Doch der Austritt muss bereits 2015 erfolgt sein, die Kündigungsfrist bei Südwestmetall beträgt sechs Monate zum Jahresende.

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im Unternehmen reagieren sofort: Zuerst tagt der Betriebsrat. Kurz darauf beruft die IG Metall eine Mitgliederversammlung ein. "Dort haben wir einen Schlachtplan entwickelt", sagt Metaller Nicolas Bauer.

Starke Verhandlungsposition

Die Beschäftigten sind mittlerweile über die geplante Tarifflucht informiert. Sie zeigen sich entschlossen: Noch vor der Mitgliederversammlung treten Dutzende der IG Metall bei. Sie wollen mitreden, über ihre Arbeitsbedingungen mitentscheiden. Am Ende stehen mehr als 100 Neumitglieder zu Buche. Damit steigt die Durchsetzungskraft der Beschäftigten enorm.

Zum Showdown kommt es im Juni bei der Betriebsversammlung. "Wir haben unseren Leuten gezeigt, was Arbeiten ohne Tarifvertrag bedeutet", berichtet Metaller Nicolas Bauer. "Nämlich: längere Arbeitszeiten, weniger Geld."

Wut im Bauch

Die Stimmung bei der Betriebsversammlung ist aufgeheizt. Die Reden von Betriebsräten und Gewerkschaftern werden von Applaus begleitet. Geschäftsführer Enderle muss sich gegen Buh-Rufe und Pfiffe durchsetzen. Er spricht als einziger Unternehmensvertreter. Und er trägt wenig zur Entspannung bei: Als eine Beschäftigte fragt, ob sie mit den 150 Euro Einmalzahlung aus dem jüngsten Metall-Tarifabschluss rechnen kann, verneint er - und erntet erneut Pfiffe. Der Geschäftsführer sieht sich einer kampfbereiten Belegschaft gegenüber. Das Signal kommt an.

Kurz nach der Betriebsversammlung teilt Enderle mit: Seuffer tritt wieder in den Arbeitgeberverband ein. Die Firma bleibt tarifgebunden. Die Beschäftigten müssen keine Einbußen im Vergleich zum Flächentarifvertrag hinnehmen.

"Gewinnmaximierung auf Kosten der Beschäftigten - dass muss und darf man sich nicht gefallen lassen", sagt Nicolas Bauer. Bei Seuffer ist die Dramaturgie für die Beschäftigte aufgegangen.

Letzte Änderung: 07.09.2016