Vergütete Arbeitszeit

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30.06.2015 Auch gekappte Arbeitszeit muss vergütet werden

In vielen Betrieben können die Beschäftigten durch Gleitzeitregelungen ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten. Das ermöglicht Zeitsouveränität und eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben. Was aber, wenn die Beschäftigten "mehr" arbeiten - und die Arbeitszeit ab einer bestimmten Höhe oder an einem Stichtag "gekappt" wird?

Betriebsrat und Arbeitgeber können in einer Betriebsvereinbarung bestimmen, dass werktägliche Arbeitszeit, die über zehn Stunden pro Arbeitstag hinausgeht, nicht dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben wird. Die gekappte Arbeitszeit ist dennoch in vollem Umfang zu vergüten.

Das bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 10. Dezember 2013 (1 ABR 40/12). In dem Verfahren stritten Arbeitgeber und Betriebsrat um die Wirksamkeit einer betrieblichen Arbeitszeitregelung. Die Vereinbarung regelte unter anderem, dass die Beschäftigten die Lage ihrer werktäglichen Arbeitszeit durch Gleitzeit selbst bestimmen können. Allerdings: Die werktägliche Arbeitszeit soll zehn Stunden nicht überschreiten. Die darüber hinaus geleisteten Arbeitsstunden wurden zwar auf einem separaten Zeitkonto der Beschäftigten erfasst, aber nicht als Gleitzeit gutgeschrieben - und somit faktisch gekappt.

Rund 2747 Mehrarbeitsstunden fielen 2010 im besagten Betrieb deshalb einfach unter den Tisch. Der Betriebsrat befürchtete, den Beschäftigten würde dadurch Bezahlung entgehen - und wollte deshalb die Unwirksamkeit der Kappungsregel feststellen lassen. Das BAG hat daraufhin zwar festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung wirksam ist, es hat aber auch deutlich gemacht, dass dies auf die Vergütungsansprüche der Beschäftigten keinen Einfluss habe. Das heißt: Beschäftigte können die tarifliche oder einzelvertragliche Vergütung verlangen. Hierbei handelt es sich um einen individualrechtlichen Anspruch, in den durch die Betriebsparteien nicht eingegriffen werden darf. Auch sah der im Betrieb geltende - gegenüber von Betriebsvereinbarungen vorrangige - Tarifvertrag eine Vergütungspflicht für diese Überstunden vor.

Arbeitnehmer muss Überstunden darlegen und beweisen

Allerdings: Wann und warum mit Wissen des Arbeitgebers über die "Kappungsgrenze" von zehn Stunden hinaus gearbeitet wurde, und dass dies erforderlich war, ist für jeden einzelnen Tag gesondert zu beweisen. Das ist in der Praxis sehr schwierig. Nur wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren, können Ansprüche geltend gemacht werden.

Betriebsräte sollten aktiv werden

In Betrieben mit Betriebsrat kann dieser gestützt auf § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darauf hinwirken, dass ihm gegenüber die erfasste und gegebenenfalls nicht vergütete Arbeitszeit offen gelegt wird. Hier ist der Betriebsrat gefordert. Er sollte darauf achten, dass die geleisteten Stunden, die über die Höchstarbeitszeit hinausgehen, gemäß § 16 Abs. 2 ArbzG erfasst werden. Auf ein "Nicht-wissen-wollen", sprich die Vertrauensarbeitszeit, kann sich der Arbeitgeber nicht berufen. Als wirksames Druckmittel steht dem Betriebsrat auch sein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei Überstunden nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zur Verfügung - schließlich sind gekappte Stunden gerade nicht die mitbestimmte betriebsübliche Arbeitszeit.

Letzte Änderung: 29.06.2015