Die Tarifrunde nimmt Fahrt auf
80 Delegierte der IG Metall Freudenstadt informierten sich und diskutierten im Sportheim Glatten, um sich gemeinsam auf die anstehende Tarifauseinandersetzung mit ihren Arbeitgebern einzustimmen und vorzubereiten. Um ein klares Zeichen in die Richtung eben jener Arbeitgeber zu schicken, findet am 13.11. das Streikfescht in Horb am Neckar statt.
"In der aktuellen Tarifbewegung der Metall- und Elektroindustrie braucht es eine "Null Runde", oder eigentlich einen Entgeltverzicht der Beschäftigten, um Betriebe und Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen!", mit diesen provokanten Worten des Arbeitgeberverbandes eröffnete Dorothee Diehm, 1.Bevollmächtigte der IG Metall Freudenstadt die Delegiertenversammlung im Sportheim Glatten.
"Wir raten den Arbeitgebern, ihre Forderung auf Entgeltverzicht der Beschäftigten, welche zu einer weiteren sinkenden Konsumlaune führen würde, aufzugeben. Der Unmut der Beschäftigten wird sich in den kommenden Wochen in betrieblichen Aktionen und im Rahmen geplanter Betriebsversammlungen zeigen, so Diehm. Für Diehm hat sich ein weiterer Schwerpunkt, neben der Erhöhung der Entgelte, im Rahmen der Tarifverhandlungen ergeben, die tarifliche Weiterentwicklung jährlicher Freistellungstage zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftige Angehörigen. Aktuell können nach Tarifvertrag 8 Freistellungstage pro Jahr, im Wandel gegen Geld, nur zwei Mal in Anspruch genommen werden. Kinder und Pflegende müssen jedoch auch noch nach zwei Jahren Inanspruchnahme der freien Tage betreut werden!", so Diehm.
In Sachen "Entgeltforderung" sieht sich die IG Metall Freudenstadt durch das Votum ihrer Mitglieder und Beschäftigten aus den Betrieben bestätigt. In einer im Frühjahr 2024 durchgeführten Befragung der IG Metall Freudenstadt in den Metallbetrieben der Region, haben sich die Beschäftigten mit 31% für eine Entgelterhöhung zwischen 4-6%, 28% für 6-8% und 23% für eine Entgelterhöhung von mehr als 8% ausgesprochen.
Haben wir nicht Jahre extremer Preissteigerungen hinter uns, die immer noch wirken? Unsere Beschäftigten haben nach wie vor Probleme, ihre Lebenshaltungskosten zu tragen. Auch deshalb sind sie als VerbraucherInnen zurückhaltend. Steigende Löhne sind notwendig, um die Kaufkraft und damit die Konjunktur anzukurbeln. Wenn die Unternehmen die Nachfrage nach ihren eigenen Produkten steigern wollen, müssen sie die Entgelte der Beschäftigten erhöhen,", so Frank Rauscher, Betriebsratsvorsitzender der Fa. Woodward L`Orange GmbH in Glatten und Mitglied der Großen Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg. "Die Auftrags- und Ertragslage ist im Moment hervorragend und die Beschäftigten fordern zu Recht ihren Anteil an den Gewinnen ihrer Arbeit selbstverständlich ein.", so Rauscher.
Die IG Metall Freudenstadt geht über dies hinaus mit einer speziellen Entgeltforderung für Auszubildende in die Tarifverhandlungen. Die Ausbildungsvergütungen sind mit ihrer relativ niedrigen Ausbildungsvergütung durch die hohen Preise besonders belastet. In vielen Ausbildungsberufen liegen die Vergütungen inzwischen höher als in der Metall- und Elektroindustrie. Darum fordert die IG Metall eine überproportionale Erhöhung der Vergütungen um 170 Euro. "Die Auszubildenden sind heute im Schnitt 20 Jahre alt und führen ein eigenständiges Leben, das sie finanzieren müssen. Und sie sind der begehrte Fachkräftenachwuchs. Deshalb wollen wir die Auszubildenden finanziell stärken und die Attraktivität der Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie fördern", erläutert Maximilian Schmid, zuständiger Gewerkschaftssekretär für die Beschäftigtengruppe der Auszubildenden und dual Studierenden der IG Metall Freudenstadt.
Weitere Themen der IG Metall in der Tarifrunde sind eine soziale Komponente für die unteren Entgeltgruppen und die Ausweitung der Wahloptionen zwischen Zeit und Geld auf mehr Beschäftigte. "Das Bedürfnis unserer Beschäftigten nach mehr Zeitsouveränität wird immer größer. Die Beschäftigten wollen sich je nach Lebensphase für mehr Geld oder mehr Zeit entscheiden können. Wir wollen das weiteren Beschäftigtengruppen ermöglichen. Dabei denken wir insbesondere an Teilzeitbeschäftigte oder ehrenamtlich engagierte Beschäftigte.", so Martin Stöhr, Betriebsratsvorsitzender der Fa. Nicolay & SENSOCAB in Nagold. "Wir bei Nicolay haben einen sehr hohen Frauenanteil unter den Beschäftigten. Viele Frauen können nur in Teilzeit arbeiten, da Sie neben der Arbeit noch ihre Kinder nach der Kita oder Schule betreuen müssen und ggf. zusätzlich noch pflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben. Eine Mehrfachbelastung, die ohne den Anspruch auf die freien T-ZUG Tage fast unmöglich ist, hier herrscht dringender Handlungsbedarf zur Novellierung der bisherigen tariflichen Regelung aus dem Jahr 2018, so Martin Stöhr, Betriebsratsvorsitzender der Firmen Nicolay & SENSOCAB in Nagold.
Eine Vielzahl von Delegierten der IG Metall Freudenstadt kritisierten in ihren Diskussionsbeiträgen die anhaltend, übertriebene Schwarzmalerei ihrer Arbeitgeber: "Vor jeder Tarifrunde wird die Lage der Branche und die der Betriebe in düsteren Farben gemalt, wenn es nach den Arbeitgeberaussagen gehen würde, wären wir doch gar nicht mehr da!", so ein Delegierter.
"Wir erkennen die differenzierte wirtschaftliche Lage in der Branche an und haben deshalb eine maßvolle und angemessene Forderung erstellt. Was in dieser Tarifbewegung noch fehlt, ist der Respekt der Arbeitgeber gegenüber den Leistungen der Beschäftigten. Was fehlt, ist die Anerkennung der Notwendigkeit, dass die Menschen mehr Geld zum Leben brauchen und die Wirtschaft positive Impulse benötigt. In diesen Punkten muss sich die Arbeitgeberseite weiterentwickeln, wenn ein Ergebnis am Verhandlungstisch zu Stande kommen soll.", so Diehm.
"Sofern sich die Vertreter des Arbeitgeberverbandes bis zum 28. Oktober 2024 nicht deutlich bewegen, so Diehm sind Arbeitsniederlegungen unausweichlich." Am 28. Oktober 2024 um 24 Uhr endet die Friedenspflicht.
Letzte Änderung: 30.09.2024