Hochkonjunktur heißt sichere Arbeit?
Die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie liegt bereits einige Wochen zurück. In den Betrieben diskutieren und bewerten die Beschäftigten den Tarifabschluss. Die Mitglieder des Ortsvorstands der IG Metall Freudenstadt ziehen Bilanz auf ihrer Sitzung am vergangenen Montag. Insbesondere die Möglichkeit das zusätzliche Tarifgeld in Zeit umwandeln zu können, sorgt für große Begeisterung - zumindest bei den Beschäftigten.
Seit nunmehr acht Jahren erlebt die deutsche Wirtschaft einen anhaltenden Aufschwung.
Die Kassen füllen sich, die Renditen steigen kontinuierlich an. Einige Unternehmen schlugen in den letzten Jahren ihre eigenen Rekorde. Weiterhin ein verlässlicher Aufwärtstrend erwirtschaftet durch tatkräftige und
hochflexible Beschäftigte. Und diese beteiligt die IG Metall - auch mit der vergangenen Tarifrunde - an den Profiten:
- März 2018: 100 EUR Einmalzahlung
- Ab April 2018: 4,3% mehr Entgelt
- Ab 2019: Tarifliches Zusatzgeld in Höhe von 27,5% eines Monatsentgelts
- In 2019: 400 EUR Einmalzahlung, ab 2020 12,3% der Eckentgeltgruppe 7
"Der Tarifabschluss bedeutet ein sattes Plus im Geldbeutel unserer Kolleginnen und Kollegen. Das freut die gesamte Mannschaft", findet Ralf Kühnle, Betriebsratsvorsitzender der Friedrich Boysen GmbH & Co. KG in Altensteig,
"Insbesondere für die unteren Entgeltgruppen gibt’s überproportional mehr, das ist echt klasse". Auch in Sachen Arbeitszeit hat sich die IG Metall durchsetzen können. Im Falle von Pflege, Kinder oder
Schichtarbeit kann das tarifliche Zusatzgeld auch in Zeit umgewandelt werden. Bis zu zehn Prozent der Beschäftigten haben die Möglichkeit ihre Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren. "Das Feedback zum Abschluss ist
sehr positiv. Es herrscht viel Begeisterung und die meisten Rückfragen bekommen wir zur Wandlung des tariflichen Zusatzgelds. Die Leute wollen lieber gestern als morgen wissen, ob sie mit acht zusätzlichen freien Tagen in 2019
rechnen können", berichtet Andy Mokros, freigestellter Betriebsrat bei Bosch Rexroth in Horb. "Den Rückmeldungen
zufolge, würde etwa die Hälfte unserer Schichtbeschäftigten eher freie tage als Geld
in Anspruch nehmen", führt er weiter aus.
Während auch Gesamtmetall von einem richtungsweisenden und innovativen Tarifabschluss
spricht, üben Südwestmetall und einige Mitgliedsunternehmen deutliche Kritik. Das war zu viel, sagen sie - trotz einer blühenden Wirtschaft. "Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut": Dieser
Slogan entstammt einer Kampagne der österreichischen Wirtschaftskammern. Im Umkehrschluss sollte der Lebensunterhalt in diese Tagen sicher sein, oder? Bereits vor der Tarifrunde beklagten die Unternehmen einen dauerhaften
Fachkräftemangel. Gleichzeitig steigt die Anzahl von Befristungen sowie Beschäftigung in Zeitarbeit kontinuierlich an. Das heißt mehr unsichere Beschäftigung, weniger Sicherheit für die Menschen bei guter
Konjunktur. Eine Richtung, die Südwestmetall scheinbar begrüßt. Sie kritisieren das Vorhaben der GroKo, sachgrundlose Befristungen einzuschränken. Man solle sich an den zukunftsfesten Reformen in Frankreich
orientieren. Dort baut Präsident Macron gerade sukzessive Mitbestimmung ab, schwächt die Position der Gewerkschaften und sorgt für Einschnitte im Kündigungsrecht. Was das mit guter und sicherer Arbeit zu tun hat,
bleibt fragwürdig. Im Übrigen bekommen in Frankreich Leiharbeitnehmende Equal Pay plus 10 Prozent Entgelt obendrauf. Ob den Arbeitgebern das beim Vergleich mit Frankreich so bewusst war? So oder so, bei den Absichten lautet der
Titel der Kampagne wohl eher: "Wenigstens geht es der Wirtschaft gut".
Letzte Änderung: 29.03.2018