Seit August 2017 neue Berufskrankheiten

Arbeit: Sicher und Fair!

24.08.2017 Die IG Metall-Initiative zeigt Wirkung

Seit vier Jahren fordert die IG Metall mit großem Nachdruck die Reform des Berufskrankheitenrechts.

Inzwischen haben die Bundesländer und der Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen (DGUV) sich dieser Forderung angeschlossen. Vor der Bundestagswahl ist zwar keine Gesetzesänderung mehr zu erwarten, aber auch im Detail zeigt die Initiative bereits Wirkung. Dauerte es früher oft 5 - 10 Jahre bis eine weitere Berufskrankheit in die die Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 zur BKV) aufgenommen wurde, war es jetzt nur noch ein Jahr.

Die Berufskrankheitenverordnung (BKV) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten (BK) bezeichnet und die Versicherte infolge der Ausübung einer versicherten Tätigkeit erleiden.

Voraussetzung für die Aufnahme in die BKV ist, dass die Erkrankungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.

Was hat sich zum August 2017 geändert?

Am 1. August 2017 ist die 4. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung in Kraft getreten. Es wurden fünf neue Krankheiten in die Berufskrankheitenliste (Anlage 1 zur BKV) aufgenommen:
1. Leukämie durch das Gas 1,3-Butadien (Neue BK 1320),
2. Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Neue BK 1321),
3. Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität (BK 2115),
4. Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) durch Asbest (Ergänzung der BK 4104) und
5. Kehlkopfkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Ergänzung der BK 4113).

Die neuen Berufskrankheiten folgen der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Welche Berufsgruppen sind von diesen Krankheiten betroffen?

Die betroffenen Berufsgruppen sind sehr vielfältig. Leukämie durch die Einwirkung von Butadien kommt insbesondere bei Beschäftigten in der Kunstkautschuk- und der Gummiindustrie vor. Kehlkopfkrebs und Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) betrifft insbesondere Tätigkeiten, in denen Steinkohleteerpechhaltige Produkte verarbeitet oder verwendet werden wie z.B. in der Aluminium- und Gießereiindustrie, tritt aber auch in anderen Berufsgruppen wie z.B. beim Parkettverlegen oder Hochofenarbeitern auf.

Die fokale Dystonie bei Instrumentalmusikern betrifft ausschließlich professionell Musizierende wie z.B. Orchestermusiker oder Musiklehrer. Betroffen vom Eierstockkrebs können Frauen sein, die früher in asbestverarbeitenden Betrieben tätig waren. Dies war insbesondere in der Asbesttextilindustrie wie z.B. in Asbestspinnereien, Asbestwebereien oder anderen Betrieben der Fall, in denen asbesthaltige Garne, Schnüre, Gewebe, Tücher oder auch Hitzeschutzkleidung hergestellt wurden.

Welche rechtliche Bedeutung hat die Aufnahme der Krankheiten in die BKV?

Mit Aufnahme der Erkrankungen in die Verordnung steht nun rechtlich fest, dass der Umgang mit den benannten Stoffen am Arbeitsplatz geeignet ist, die bezeichneten Erkrankungen zu verursachen. Zusätzlich ist jedoch für die Anerkennung als Berufskrankheit im Einzelfall die Feststellungen über die individuellen Ursachenzusammenhänge erforderlich, das heißt, die Erkrankung durch die schädigende Einwirkung muss auf die konkrete berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein.

Bei der Verdachtsanzeige einer BK helfen sogenannte Merkblätter, die zu jeder Berufskrankheit von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. entwickelt werden. Für die neuen Krankheiten werden diese Merkblätter noch erarbeitet.

Aber auch in den vorliegenden wissenschaftlichen Begründungen werden Tätigkeiten und Krankheitsbilder genannt.

Was tun wenn man betroffen ist?

Wer glaubt unter einer der neuen (oder bereits länger geltenden) Berufskrankheiten zu leiden, sollte auf jeden Fall "Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit" stellen. Das kann jeder selber bei der Berufsgenossenschaft machen. Empfehlenswert ist es aber, die Anzeige dem behandelnden Arzt zu überlassen.

Ärztliches Personal (zum Beispiel Zahnärztinnen und Zahnärzte, Hausärztinnen und Hausärzte) ist nach § 202 SGB VII zudem gesetzlich verpflichtet, bei einem Verdacht die BK-Anzeige zu erstatten.

Was bedeutet die Anerkennung für betroffene Kolleginnen und Kollegen?

Wenn die Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, haben die Betroffenen
Anspruch auf Heilbehandlung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei Arbeitsunfähigkeit oder dauerhafter Erwerbsminderung können auch Ansprüche
auf Geldleistungen bestehen.

Gilt die Regelung rückwirkend für bereits bestehende Erkrankungen? Grundsätzlich ja, die Leistungen werden entsprechend den allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften rückwirkend längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren gerechnet von der Antragstellung erbracht. Dies ist insbesondere relevant in den Fällen, in denen die Erkrankung bereits vor der Aufnahme in die Anlage 1 der BKV eingetreten ist und eine ärztliche Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung gestellt wird oder dem Unfallversicherungsträger erst nach diesem Zeitpunkt auf sonstige Weise bekannt wird.

Was ist zu tun, wenn die Krankheit bereits als Berufskrankheit abgelehnt wurde?

Nach ständiger Rechts- und Verwaltungspraxis waren die neuen Berufskrankheiten bereits als sog. "Wie-Berufskrankheiten" nach § 9 Absatz 2 SGB VII anerkannt. Ist es dennoch in der Vergangenheit zu einer Ablehnung über eine der neu aufgenommenen Berufskrankheiten gekommen und der Ablehnungsbescheid bereits bestandskräftig geworden, so ist nun zu prüfen, ob ein neuer Antrag der Betroffenen bei der Unfallversicherung gestellt werden kann.

Letzte Änderung: 01.09.2017